Schwester Anna und Schwester Marianne

“Die Reise in den Himmel ist dieselbe, egal ob sie von Eichgraben oder von Wien aus gemacht wird.”

von Corinna Berger

Schwester Anna Mayrhofer und Schwester Marianne Jungwirth sind Ordensschwestern im Franziskanerinnen Missionarinnen Marienkloster St. Leopold in Wien. Sr. Anna Mayrhofer ist Hausoberin und Sozialarbeiterin. Sr. Marianne Jungwirth hat einige Jahre im Kloster Stein an der Grenze zwischen Maria Anzbach und Eichgraben verbracht und war dort Leiterin der Krankenstation. Im folgenden Interview sprechen die beiden über ihre Beziehung zum Kloster Stein.

Welche Funktionen hatte das Kloster denn im Laufe der Zeit?

Sr. Anna:
Das Kloster hatte die Funktion, junge Schwestern aus dem gesamten deutschsprachigen Raum für die Mission auszubilden. Wenn man bei uns eintritt, ist man automatisch dazu bereit, irgendwo zur Mission eingesetzt zu werden.
Von Anfang an haben sich die Schwestern außerdem um Kinder gekümmert. Um die Jahrhundertwende gab es in Wien Erholungsaktionen für die Kinder der Fabriksarbeiter aus dem 20. Bezirk. Die Kinder wurden im Sommer zur Erholung nach Eichgraben geschickt. Die Schwestern haben in Wien wirklich mit den ärmsten Familien gearbeitet.

Sr. Marianne:
Im Ersten Weltkrieg waren die Schwestern zum Teil auch sehr arm. Und viele sind an Tuberkulose gestorben.

 

Sr. Marianne Jungwirth © Madeleine Gromann

 

Sr. Anna:In den 60ern gab es beim Kloster ein Seniorenheim für Frauen. Da gab es aber nicht einmal einen Lift, es war also für alleinstehende, noch rüstige Frauen. Heute würde man betreutes Wohnen sagen.

Sr. Marianne:
Viele von den alten Leuten wollten später gar nicht mehr weg, wir haben lange versucht einen Lift zu bauen, aber es war leider nicht möglich. Die Pflegefälle waren dann im unteren Stock und im ersten Stock waren die anderen.

Was halten Sie davon, dass das Kloster jetzt eine Flüchtlingsunterkunft ist?

Sr. Marianne:
Im Grunde genommen halte ich das für positiv. Aber die einen oder anderen, die hier angerufen haben, die waren ganz entsetzt darüber, was dort passiert. Ich hab halt immer gesagt: „Das Kloster ist verkauft, es ist nicht mehr in unseren Händen und wir haben auch nicht mehr die Verantwortung.“ Menschlich gesehen ist es ja gut, dass die Flüchtlinge ein Dach über dem Kopf haben und versorgt werden.

 

Sr. Anna Mayrhofer, Hausoberin © Madeleine Gromann

Sr. Anna:
Es haben sich einige Leute, die die Schwestern besucht haben, beschwert. Diese Leute leben natürlich in einer heilen Welt von früher und kannten dieses schöne Kloster, wo sie immer nette Schwestern getroffen haben, als sie spazieren gegangen sind.
Ein Mann war hier, der gesagt hat: „Es ist eine Entweihung des Klosters.“ Wir haben darauf gesagt: Wie bitte? Obdachlosen ein Dach zu gewähren ist eine heilige Aufgabe! Die steht in der Bibel.“

Was sind denn die Probleme von denen die Leute erzählen?

Sr. Anna:
Ein typisches Problem ist, dass die Schwestern früher jeden Quadratmeter Wiese wunderschön gepflegt haben und jetzt angeblich der Müll einfach rausgeworfen wird. Dann gab es ja auch mal die Überlegung, einen Gehsteig über die Straße zu bauen. Man ruiniert ihnen halt ihre heile Welt.

Sr. Marianne:
Ich hab das auch zu meiner Zeit erlebt, als noch die Landwirtschaft war. Später hatte natürlich niemand mehr Zeit, um jeden Graben zu pflegen. Schon damals haben wir immer wieder Beschwerden gehört: „Es ist halt nimmer so wie früher!“ Aber die Zeit bleibt halt nicht stehen, die geht weiter.

Fehlt Ihnen das Kloster in Maria Anzbach?

Sr. Marianne:
Ich habe mich eigentlich schon sehr früh damit abgefunden, dass man dort nicht das ganze Leben lang bleiben kann. Jetzt hab ich eigentlich kein Problem mehr damit. Ich hab in meinem Leben eigentlich immer mehr in die Zukunft geschaut als in die Vergangenheit.

Sr. Anna:
Es gab Schwestern, die aus der Landwirtschaft gekommen sind und ihr Leben lang dort gearbeitet haben und dadurch mit dem Grund und Boden des Klosters sehr verankert waren. Für diejenigen, die dort 20, 30 oder 40 Jahre verbracht haben, für die war der Umzug sehr schlimm.

Sr. Marianne:
Die letzten Jahre waren schon schwierig, mit diesen alten Schwestern. Sie wollten einfach nicht weg. Sie haben sich sehr, sehr schwer getan. Aber eine Schwester ist schließlich zur Erkenntnis gekommen, dass die Reise in den Himmel dieselbe ist, egal, ob sie von Eichgraben oder Wien aus gemacht wird.

Sr. Anna:
Der Wunsch war, dass dort ein geistliches Haus bestehen bleibt. Die Schwestern haben lange jeden Tag dafür gebetet. Es redet aber heute keiner mehr davon. Vielleicht würde die eine oder andere sich das noch wünschen, aber je länger es dauert, desto eher akzeptieren sie, dass das wahrscheinlich nicht mehr der Fall sein wird.

Was denken Sie darüber Sr. Anna? Sie waren ja nicht direkt im Annunziatakloster.

Sr. Anna:
Ich war nicht direkt im Annunziatakloster, sondern in einem Gebäude dahinter, das in den 20er Jahren für Tuberkulosekranke gebaut wurde. Dort habe ich mein Noviziat gemacht. Ich kann das schon nachempfinden, diesen Schmerz der Schwestern, dieses Abschiednehmen.
Aber ich muss sagen, ich hab immer gedacht: „Dieses Kloster wird mich noch irgendwann daran hindern in die Mission zu gehen.“ Es sind immense Gebäude zu verwalten und Arbeiten zu tun. Ich hatte befürchtet, dass mich die Provinzoberin in die Küche des Klosters schickt, weil ich eine hauswirtschaftliche Ausbildung habe. Das wäre für mich der absolute Horror gewesen. Ich habe ja jetzt eine Teilzeitstelle als Sozialarbeiterin. Wenn ich zusätzlich dazu noch das Kloster verwalten müsste, das wäre sehr viel Arbeit.

Haben Sie einen besonderen Wunsch für die Zukunft?

Sr. Marianne:
Ich wünsche mir natürlich, dass Friede wird unter den Menschen und dass sie sich besser verstehen. Und dass man wirklich auch viel Verständnis hat für die Flüchtlinge.


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